Insbesondere seit der Corona-Pandemie arbeiten viele Arbeitnehmer im Home-Office. Wie sieht es hier mit dem Versicherungsschutz aus, wenn es zu einem Unfall kommt?
Bereits seit einiger Zeit haben manche Arbeitnehmer zumindest gelegentlich im Homeoffice gearbeitet, um sich beispielsweise besser auf eine bestimmte Aufgabe konzentrieren zu können oder sich das zeitraubende Pendeln zum Arbeitgeber sparen zu können. Dieser Trend ist durch die Corona-Pandemie erheblich verstärkt worden. Umso mehr stellt sich die Frage, wie die rechtliche Situation bei Unfällen im Homeoffice aussieht. Dies ist vor dem Hintergrund wichtig, dass Arbeitnehmer bei der Anerkennung eines Arbeitsunfalls durch den jeweiligen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung häufig großzügigere Leistungen erhalten. Dies gilt besonders dann, wenn es sich um einen Unfall mit schweren Folgen handelt, wodurch sie zumindest vorübergehend erwerbsunfähig sind.
Arbeitnehmer fällt auf dem Weg ins Home-Office Treppe herunter
Dass hier ein Arbeitsunfall auch außerhalb des Home-Office-Bereiches in Betracht kommt, ergibt sich aus einer Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichtes. Vorliegend ging es um eine Sales und Key Account Managerin. Der Arbeitgeber hatte mit ihr im Arbeitsvertrag vereinbart, dass ihr regelmäßiger Arbeitsort ihre Wohnadresse ist. Sie hatte sich ihr Home-Office in einem Raum im Keller ihres Einfamilienhauses eingerichtet. An einem Tag hielt sie sich zunächst einmal auswärts auf dem Messegelände auf. Nachdem sie von einer Kollegin erfahren hatte, dass sie den Geschäftsführer des Unternehmens anrufen sollte, fuhr sie nach Hause. Sie wollte sich dort in ihr Home-Office begeben, um dort ihren Laptop anzuschließen und den Geschäftsführer dann anzurufen. Doch dazu kam es nicht mehr. Als sie die Kellertreppe herunterging, rutschte sie auf einer Stufe aus. Dadurch verletzte sie sich schwer. Die zuständige Berufsgenossenschaft verweigerte die Anerkennung als Arbeitsunfall.
Die Klage der Arbeitnehmerin hatte zunächst einmal vor dem Sozialgericht Erfolg. Doch das Landessozialgericht hob diese Entscheidung auf, weil der Unfall außerhalb ihres Arbeitszimmers in ihrer privat genutzten Wohnung passiert war.
Doch das Bundessozialgericht sah das anders. Es stellte mit Urteil vom 27.11.2018 – B 2 U 28/17 R klar, dass es sich bei dem Sturz auf der Kellertreppe um einen Arbeitsunfall gehandelt hat. Dies begründeten die Richter damit, dass der notwendige hinreichende Zusammenhang zu ihrer Tätigkeit als Arbeitnehmerin bestand. Dies ergibt sich daraus, dass beim Hinabsteigen der Treppe das notwendige betriebliche Interesse gegeben war. Dies ergab sich daraus, dass sie ihr Home-Office aufsuchen wollte, um dort für das Unternehmen tätig zu sein. Arbeitsstätten „im häuslichen Bereich sind indes nur solche Arbeitsräume, in denen Arbeitsplätze aufgrund arbeitsvertraglicher (Individual-)Vereinbarungen innerhalb von Gebäuden dauerhaft eingerichtet sind und in denen Beschäftigte im Rahmen ihrer Arbeit regelmäßig (ausschließlich oder alternierend) tätig werden („Home-Office“)“. Liegt der arbeitsvertraglich vereinbarte Erfüllungsort für die Arbeitsleistung dagegen außerhalb des Wohnhauses des Beschäftigten und erledigt er seine Arbeit (ggf. eigeninitiativ außerhalb der Arbeitszeit) zu Hause, ohne dies arbeitsvertraglich vereinbart zu haben oder dazu aufgrund einer (Einzel-)Weisung des Arbeitgebers angehalten worden zu sein, scheidet eine „Home-Office“-Konstellation regelmäßig aus. Unerheblich ist demgegenüber, wie häufig sie die Kellertreppe aufsucht, um sich ins Home-Office zu begeben.
Arbeitnehmer möchte auf Toilette gehen
In einem anderen Sachverhalt ging es um einen Arbeitnehmer, der ebenfalls in einem Home-Office im Keller seines Zweifamilienhauses tätig war. Nachdem dieser seine Toilette aufgesucht hatte, die sich im Eingangsbereich des Hauses befand, stürzte er beim Hinabsteigen der Kellertreppe auf der letzten Stufe. Als die Berufsgenossenschaft den Sturz nicht als Arbeitsunfall anerkannte, legte er gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und klagte. Doch das Sozialgericht München wies seine Klage mit Urteil vom 04.07.2019, Az. S 40 U 227/18 ab. Das Gericht verwies darauf, dass er die Toilette nicht aufgesucht hatte, um seinen Pflichten als Arbeitnehmer nachzukommen. Vielmehr sei es nur darum gegangen, eine höchstpersönliche Verrichtung zu tätigen. Toilette und Kellertreppe seien daher dem privaten Bereich zuzuordnen, mit der Folge, dass es sich beim Sturz um keinen Arbeitsunfall gehandelt hat. Dies sah das Gericht deshalb als gerechtfertigt an, weil der Arbeitgeber hier – anders im Unternehmen – keinen Einfluss darauf an, wie sicher die Treppe angelegt worden ist.
Arbeitnehmer geht ein Glas Wasser trinken
In einem dritten Fall befand sich das Homeoffice einer Arbeitnehmerin im Dachgeschoss eines Eigenheims. Als sie sich die Treppe hinunterbegab um in der Küche ein Glas Wasser zu trinken, rutschte sie auf der Treppe ab, knickte mit dem linken Fuß um und erlitt dadurch eine Metatarsale V Schrägfraktur links.
Hierzu entschied das Bundessozialgericht mit Urteil vom 05.07.2016 – B 2U 5/15/R, dass es sich bei dem Sturz auf der Treppe um keinen Arbeitsunfall gehandelt hat. Dies begründete das Gericht damit, dass das Holen von Wasser nicht zu den Pflichten des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsvertrag gehört hat. Der Unfall war daher dem privaten Bereich des Arbeitnehmers zuzuordnen. Ansonsten werde der Bereich in dem die Haftung der gesetzlichen Unfallversicherung greift zu weit ausgedehnt.
Fazit:
Hieraus ergibt sich, dass ein Arbeitnehmer, der im Home-Office tätig ist, normalerweise bei einem Unfall in den Genuss der Leitungen der gesetzlichen Unfallversicherung kommt, wenn sich der Unfall innerhalb seines Büros ereignet. Hier handelt es sich generell um einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 SGN VII. Schwieriger ist die Beurteilung jedoch, wenn der Unfall sich außerhalb des eigentlichen Home-Office ereignet hat. Schlechte Chancen haben Home-Office Arbeitnehmer, wenn sie ihr Büro zur Stillung ihrer persönlichen Bedürfnisse verlassen haben. Anders sieht die Situation jedoch dann aus, wenn Arbeitnehmer hinreichend darlegen können, dass hierfür ein hinreichendes betriebliches Interesse bestanden hat. Arbeitnehmer sollten den Hergang des Unfalls sorgfältig dokumentieren und auch die Begleitumstände z.B. ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor zum Führen eines dienstlichen Telefonats aufgefordert hatte bzw. ob eine Besprechung angesetzt war. Gut ist auf jeden Fall, wenn der Arbeitsvertrag die Arbeit im Homeoffice vorsieht bzw. dies auf andere Weise mit dem Arbeitgeber verbindlich vereinbart worden ist.